Interviews
● Interviu cu Richard Reschika, in: Andrei Zanca, După ani, după noi, Criterion Publishing, Norcross,
GA, USA 2003, S. 97-103. ISBN 1-887304-84-3
● Vatra Dialog cu Richard Reschika – Interviu realizat de Andrei Zanca: Vatra.
Revista lunară de cultură, Târgu Mureş, Octombrie 1999, p. 7-9.
Interview mit Richard Reschika
– Geführt von Andrei Zanca, Freiburg, 25. Mai 1999 –
(Aus dem Rumänischen übersetzt von R.R.)
1.
Sehr geehrter Reschika, Sie haben Rumänien verlassen, als Sie sieben
Jahre alt waren, in einem Alter, da sich die ersten Erinnerungen unauslöschlich
einprägen, sich das Gedächtnis zu festigen beginnt. Was für Erinnerungen haben
Sie aus dieser rumänischen Periode?
1. Natürlich erinnere ich mich heute noch gut an meinen Geburtsort
Kronstadt/Braşov und an die dort verbrachte Kindheit in den 60er Jahren:
prägende Erinnerungen an die elterliche Wohnung in der Burggasse, unmittelbar am
Fuße der Zinne, des majestätischen Tîmpa-Berges, an den schönen, weiten
Rathausplatz, die geheimnisvolle Schwarze Kirche, die nahe gelegene
Honterusschule, deren Schüler ich war, und an erste Konzertbesuche bei der
Städtischen Philharmonie, wo mein Vater als Musiker wirkte.
Mit Eliade glaube ich, dass das jeweilige Heimatland
für alle Menschen eine heilige Geographie bildet und dass die Stadt der Kindheit
und Jugend immer ein mythischer Ort, der Mittelpunkt einer unerschöpflichen
Mythologie bleibt. Eine Erfahrung, die sich mir anlässlich eines Besuches meiner
Heimatstadt 1994 erneut bestätigte.
2. Ich möchte Sie
bitten, uns über Ihre Schul- und Studienjahre, Ihr literarisches Debüt zu
erzählen.
2. Ende 1969 gelang meinen Eltern und mir die Ausreise nach Deutschland. Mein
Vater, ein Siebenbürger Sachse, war während der stalinistischen Ära sieben Jahre
lang in politischer Haft und musste auch danach entwürdigende Repressalien
seitens des kommunistischen Regimes erdulden. Meine Mutter, eine Halbrumänin,
verließ dagegen nur schweren Herzens ihre geliebte Heimat.
Die Schul- und Studienzeit verbrachte ich
hauptsächlich in Freiburg, einer idyllischen Stadt, die in vielerlei Hinsicht an
Kronstadt erinnert und mir mittlerweile zur zweiten Heimat geworden ist. Nach
dem Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie in Freiburg und
Heidelberg arbeitete ich zunächst als Kustos des Friedrich-Nietzsche-Museums in
Sils-Maria/Schweiz und als Lektor beim Herder-Verlag, bevor ich mich zu einer
Tätigkeit als selbstständiger Lektor, Übersetzer und (Rundfunk-)Autor
entschloss.
3. Was waren Ihre
„guten“ und was Ihre weniger „guten“ Erfahrungen während dieser prägenden
Periode Ihres Lebens?
3. Zu den positiven Erfahrungen zählen sicherlich spannende Lektüreerlebnisse,
enge Freundschaften und Bildungsreisen, zu den weniger schönen die
gesellschaftlichen Schwierigkeiten, sich als Geisteswissenschaftler in einer
stark am Materiellen orientierten Gesellschaft zu behaupten.
4. Welche Aspekte
interessieren Sie an Paul Celan besonders (Ich bitte Sie, uns, die wir Ihre
Arbeit in Rumänien nicht kennen, darüber ausführlich zu berichten).
4. Sie sprechen meine Dissertation an. Ich habe sie 1991 unter dem Titel „Poesie
und Apokalypse“ veröffentlicht. Zentraler Gegenstand der Studie sind die postum
publizierten Gedichte des mittleren Zyklus aus Paul Celans letztem Lyrikband
„Zeitgehöft“ von 1976, deren Schaffensimpuls auf die Israelreise des Dichters im
Herbst 1969 – wenige Monate vor seinem Freitod – zurückgeht. Im Vergleich zum
übrigen, an stetiger Reduktion und Depoetisierung orientierten Spätwerk Celans,
begegnet der Leser hier einer neuen Einfachheit lyrischen Sprechens, das dennoch
rätselhaft bleibt. Ausgehend von bestimmten Örtlichkeiten Jerusalems – einzelnen
Toren, Straßen, Plätzen und Denkmälern der Stadt –, sieht das lyrische Ich der
Gedichte welthistorisches Geschehen, autobiographisches Erleben und
metaphysisches Suchen in eins. Als Liebes-
und Endzeitdichtung zugleich steht der „Jerusalem-Zyklus“ dabei in einer
spannungsvollen Ambivalenz von heilsgeschichtlicher Erfüllung und kosmischem
Nihilismus.
Namentlich vor dem Hintergrund jüdisch-christlicher
Theologie und Mystik, aber auch unter Berücksichtigung anderen Fachwissens, habe
ich in detaillierten Einzelinterpretationen versucht, den an diese Lyrik häufig
herangetragenen „Hermetismusvorwurf“ zu entkräften. Allgemeine Überlegungen zu
Celans Poetologie- und Religionsverständnis umrahmen dabei meine Arbeit, die
sich aufgrund ihres interdisziplinären Charakters gleichermaßen an Freunde der
Literatur wie der Theologie richtet.
5. Was hat Sie in
besonderer Art und Weise zu Mircea Eliade hingezogen, der Schriftsteller
und/oder der Religionshistoriker?
5. Wie im Falle Paul Celans und E. M. Ciorans denke ich, dass die Beschäftigung
mit Mircea Eliade etwas mit der Suche nach meinen rumänischen Wurzeln zu tun
hat, mit einer „Sehnsucht nach dem Ursprung“, um den Titel eines Eliade-Buches
zu zitieren. Bei Eliade, einem der wenigen genuin schöpferischen Menschen dieses
Jahrhunderts, auf den die Rede von der „Doppelbegabung“ wirklich zutrifft, hat
mich der Religionshistoriker wie der Literat gleichermaßen interessiert. Aus
diesem Grunde habe ich beide auch gleichwertig behandelt. Meine 1997 im Junius
Verlag (Hamburg) publizierte Eliade-Monographie erscheint im übrigen dieses Jahr
auf Rumänisch, im selben Verlag, wo auch meine Cioran-Monographie 1998
veröffentlicht wurde: Editura Saeculum, Bukarest.
6. Beim Verfassen der
Arbeiten haben Sie auf Quellen zurückgegriffen, die sich in westlichen
Bibliotheken befinden. Aber wie steht es um die rumänischen Quellen? Konnten Sie
sich Kopien anfertigen, rumänische Bibliotheken aufsuchen?
6. An rumänisches Quellenmaterial heranzukommen, war und ist bis heute nicht
ganz einfach, was ich bei mehreren Aufenthalten in Rumänien leider feststellen
musste. Bei der Recherche haben mir jedoch Verwandte und Freunde geholfen.
Glücklicherweise befindet sich in Freiburg eine recht gut bestückte Rumänische
Bibliothek.
7. Gedenken Sie, sich
weiterhin in die Werk dieser drei rumänischstämmigen Autoren zu vertiefen? Und
wenn ja, aus welcher Perspektive, als Übersetzer oder auch als Interpret?
7. Ob ich mich künftig mit Celan, Cioran und Eliade beschäftigen werde, kann ich
jetzt noch nicht mit Bestimmtheit sagen. Möglicherweise werde ich aber in
Anknüpfung an meine Übersetzungen der beiden Eliade-Romane –„Die Hooligans“ (im
Herder-Verlag) sowie „Der besessene Bibliothekar“ (bei Insel/Suhrkamp) – noch
mehr von ihm ins Deutsche übertragen: Ich denke dabei z.B. an diverse
religionshistorische Essays.
8. Celan als einer
der wichtigsten Repräsentanten der modernen Lyrik, Eliade als
Religionshistoriker, desgleichen weltbekannt als Literat, Cioran als einer der
bedeutendsten Philosophen und Stilisten des 20. Jahrhunderts – haben Sie niemals
daran gedacht, diesen Geistern auch den großen zeitgenössischen Dramatiker Eugen
Ionescu an die Seite zu stellen?
8. Mit dem Gedanken, über Eugen Ionescu zu publizieren, habe ich tatsächlich
schon gespielt – eine Monographie wäre durchaus denkbar, zumal es in dieser
Richtung noch nicht viel Brauchbares gibt...
9. Herr Reschika,
verdankt sich Ihre Beschäftigung mit E. M. Cioran, der bislang, wie mir scheint,
in Deutschland im Allgemeinen nur sehr oberflächlich rezipiert wurde – von
einigen bemerkenswerten Spezialuntersuchungen einmal abgesehen –, auch einer
gewissen persönlichen Neigung für diesen Philosophen, der in meinen Augen auch
ein herausragender Poet ist?
9. Ich stimme Ihnen zu: Im Vergleich zu Frankreich genießt Cioran, einer der
größten Skeptiker, Kulturkritiker und Meisterstilisten unseres Jahrhunderts, in
Deutschland längst nicht die Beachtung und Würdigung, die er tatsächlich
verdient. Auch fühle ich mich persönlich, ja existentiell zu Cioran und seinem
Werk am stärksten hingezogen.
10. Mit Hinblick auf
die von Ihnen herangezogene Sekundärliteratur, die Quellen, fällt mir auf, dass
Sie neben Liiceanu, Mariana Şora, George Uscătescu nur noch einige Arbeiten
ausländischer Autoren benutzt haben. Ist es nicht höchst aufschlussreich, dass
sich lediglich drei rumänische Autoren ernsthaft mit Cioran, und dies auch nur
aus einem bestimmten Blickwinkel heraus, beschäftigen?
10. Es ist die alte Geschichte vom Propheten im eigenen Land. Doch ich hoffe,
dass sich die Rumänen mit einem ihrer größten Geister in Zukunft intensiver
auseinandersetzen werden.
11. Ich komme auf
meine vorherige Frage zurück: Haben Sie auch andere Quellen als die am Schluss
der Buches angeführten konsultiert…? Vielleicht mündliche…? Denn ich habe den
Eindruck, dass jede geistig-dynamische Auseinandersetzung mit einem Autor, einem
Werk einen gewissen inneren Antrieb, eine innere Neigung voraussetzt.
11. Natürlich habe ich während der Arbeit an meiner Cioran-Monographie viele
Gespräche mit glühenden Anhängern, aber auch mit scharfen Kritikern Ciorans
geführt. Grundsätzlich denke ich, dass man ohne inneres Engagement, ohne
Empathie, ohne die Identifikation mit dem Forschungsgegenstand – zumindest bis
zu einem gewissen Grade – nichts Seriöses auf geistigem Gebiet zuwege bringt.
12. Das
Liebe-Hass-Syndrom spielt eine wesentliche Rolle bei Ihrer Erforschung des
Werkes und der Biographie Ciorans. Glauben Sie, dass man wirklich ganz mit der
Vergangenheit brechen kann – so wie es Cioran wiederholt geäußert hat?
12. In einem paradoxen Spannungsfeld von gleichzeitiger Sympathie und Antipathie
zu denken und zu leben ist sicherlich ein Charakteristikum Ciorans, seiner
existentiellen Zerrissenheit. Wenn ich Sie richtig verstehe, spielen Sie mit
Ihrer Frage auch auf die Hassliebe Ciorans an, die er zeitlebens seiner Heimat
Rumänien entgegengebracht hat. Prinzipiell glaube ich, dass man niemals ganz mit
seiner Vergangenheit brechen kann. Auch Cioran ist dies nicht gelungen – denken
Sie nur an die Interviews kurz vor seinem Tod, in denen er wieder rumänisch
spricht und die Orte seiner Kindheit, Raşinari und Hermannstadt, mit nichts
Geringerem als dem Paradies auf Erden vergleicht.
13. Glauben Sie
nicht, dass Ciorans blasphemische Beziehung zum Göttlichen als Kehrseite der
Medaille betrachtet werden kann, nämlich im Sinne einer überaus verzehrenden
Liebe, die bei jedem Schritt den Atheismus und den Unglauben vorbringen muss.
13. Absolut. Für Cioran, den existentiellen Denker der Extreme, gehören Skepsis
und Mystik untrennbar zusammen. Ich zähle Cioran zu den letzten Denkern von
Rang, die in einer postmodernen, mehr oder minder areligiösen Welt, überhaupt
noch metaphysische Fragen – Fragen nach Gott, der Welt und unserem
Seinsverständnis – zu stellen wagten.
14. Was hat Sie am
meisten an diesem schöpferischen Menschen schockiert?
14. Zweifellos hat mich sein tragisches Ende, die schleichende
Alzheimer-Erkrankung, der sein brillanter Geist – lange vor der eigentlichen
physischen Auslöschung – zum Opfer fallen musste, am meisten erschüttert.
15. Wenn Sie die
Absicht hätten oder haben, sich im hermeneutischen Sinne intensiver mit Cioran
zu beschäftigen, welche/r Aspekt/e würde/n Sie am meisten interessieren?
15. Wie ich in meiner Cioran-Monographie geschrieben habe, erkannte Cioran im
Fluch ein alternatives Stilmodell zur Ausdrucksform des Aphorismus. Flüche,
Verwünschnungen und Blasphemien durchziehen das ganze Werk. Als Apologet des
unmittelbaren, authentischen Ausdrucks, sah Cioran im Fluch das geeignete
Element, um sich blitzartig von aggressivem Leidensdruck zu befreien. Die
„Ventilfunktion“ des Fluchens wurde ihm, wie das Schreiben im Allgemeinen, zur
Überlebenstechnik, zum bewährten Mittel der Daseinsbewältigung. Eine Analyse des
Cioranschen Œuvres unter dem Aspekt des Fluches bzw. des Fluchens wäre bestimmt
ein lohnendes Unternehmen.
16. Wenn man – etwa
anlässlich einer Studie – nach Parallelen bei diesen vier rumänischen
Kulturmenschen suchen wollte, welche Gemeinsamkeiten in ihrer Entwicklung und
ihren Kontakten könnte man ausfindig machen?
16. Neben den biographischen Gemeinsamkeiten, die Eliade, Cioran, Celan und
Ionescu nicht zuletzt aufgrund ihres Pariser Exils teilen, fällt mir bei allen
Vieren ihr geistiges Rebellentum auf – die denkerische bzw. dichterische
Originalität und Kraft, mit der sie, vom Rande Europas herkommend, die Kultur
des 20. Jahrhunderts bereichert und geprägt haben.
17. Um auf die letzte
Frage zurückzukommen: Welche Rolle spielt der Zufall bei ihrer eigenen
Beschäftigung mit diesen Vieren? Kann man im Zusammenhang damit von „zufällig“
sprechen?
17. Der Zufall spielte – wie in der Regel – auch bei meiner Beschäftigung mit
diesen Geistern eine entscheidende Rolle, obgleich, wie schon erwähnt, meine
schriftstellerische Auseinandersetzung etwas mit der Suche nach meinen
rumänischen Wurzeln zu tun hat.
18. In diesem
Zusammenhang schreiben Sie an einer Stelle: „Einige Zeilen aus seinem (Ciorans)
rund sechzig Jahre zuvor entstandenen Erstlingswerk
Auf den Gipfeln der Verzweiflung lesen sich im Nachhinein wie eine fatale Bestätigung der
„self-fulfilling-prophecy“-Theorie. Herr Reschika, welche Rolle gestehen Sie dem
Zufall zu?
18. Dies gehört zu jenen philosophischen Fragen, die wohl nie gelöst werden
können. Als Viertelrumäne besitze ich jedoch auch eine Vorstellung von dem, was
man landläufig als „Schicksalsergebenheit“ oder „Fatalismus“ bezeichnet.
19. Für alle, die
sich tiefer gehend mit dem Werk Ciorans auseinandersetzen und ihn wirklich
„kennen lernen“ möchten, stellt Ihre gleichermaßen interessante, anregende und
niemals „langweilige“ Monographie ein Grundlagenwerk dar. Wie wurde diese in
Deutschland/Europa und in der Welt rezipiert. Welche Reaktionen hat sie
ausgelöst?
19. Meine Cioran-Monographie, die im
Frühjahr 1995, also noch zu Lebzeiten Ciorans, erschien, hat erfreulicherweise
durchgängig sehr gute Kritiken bekommen, und zwar im gesamten deutschsprachigen
Raum. Auch in Rumänien gab es positive Rezensionen, noch bevor die rumänische
Übersetzung auf dem Markt war. An meiner konzisen Werkbiographie wurde vor allem
die Tatsache gelobt, dass ich die Paradoxa Ciorans nicht wegdiskutiert, sondern
als den Kern seines Gedankengebäudes enthüllt habe.
20. Die Literatur und
Kultur scheinen sich am Ende dieses Jahrhunderts in eine regelrechte „kulturelle
Fabrik“ zu verwandeln. Wie beurteilen Sie den gegenwärtigen und zukünftigen
Stand der Kultur/Literatur in der Welt im Allgemeinen?
20. Über die weltweite Entwicklung des kulturellen bzw. literarischen Lebens
lässt sich nur spekulieren. Zweifelsohne richtig ist, dass die Zahl der
Publikationen zusehends steigt, während die Qualität der Arbeiten umgekehrt
proportional zu sinken scheint.
21. Welche Rolle
sprechen Sie jener „Erweiterung des Bewusstseins“ zu, von der man immer öfter
spricht?
21. Das Schlagwort von der „Bewusstseinserweiterung“ macht schon seit langem bei
Anhängern der New-Age-Bewegung und anderen an Esoterik und Okkultismus
Interessierten die Runde. Ich persönlich bin in Bezug auf einen sogenannten
„Quantensprung“ des menschlichen Bewusstseins eher skeptisch. Wie Cioran glaube
ich, dass die Menschheit auf kulturellem Gebiet ihr Bestes bereits gegeben hat.
22. Haben Sie nicht
auch den Eindruck, dass der Westen seinen – von den Vorgängern geschaffenen –
kulturellen (Selbst-)Bildern in weiten Teilen nicht mehr entsprechen kann, ihnen
sozusagen hinterher jagt, während wir aus dem Osten uns unsere (Selbst-)Bilder
erst einmal „zerstören“ müssen, um eine Auferstehung zu erfahren?
22. Anzeichen einer kulturellen Renaissance im Osten, speziell in Rumänien, kann
ich zurzeit nicht beobachten, ich denke jedoch, dass dies nicht unbedingt an
einem mangelnden Potential liegt.
23. Herr Reschika,
vor kurzem hatten Sie einige Lesungen in Rumänien. Wo fanden diese statt und
welche Eindrücke sind Ihnen geblieben?
23. Letzten Sommer habe ich eine Cioran-Lesung in Schässburg/Sighisoara gehabt,
einer traumhaft schönen mittelalterlichen Stadt, mit der mich auch nostalgische
Gefühle verbinden, da meine Großmutter mütterlicherseits dort geboren wurde. An
dieser Stelle möchte ich eine kurze Anekdote erzählen, die mich sehr gerührt und
nachdenklich gestimmt hat: Nach meiner Lesung im alten Rathaus kam eine ältere
Dame auf mich zu, um ein Buchexemplar zu erwerben. Sie erklärte mir, dass sie
nicht die ganze Summe zahlen könne, da ein Teil des Geldes bereits für die
allernötigsten Lebensmittel des nächsten Tages verplant sei. Natürlich habe ich
ihr das Buch geschenkt... Einen vergleichbaren Hunger nach Kultur bzw. die
Bereitschaft, dafür auch beträchtliche Opfer zu erbringen, habe ich im Westen
bislang nicht angetroffen.
24. Haben Sie mit
Bezug auf Rumänien bestimmte Projekte?
24. Augenblicklich arbeite ich an einem größeren Projekt. Auf der Grundlage
diverser Rundfunkessays, die ich in den letzten Jahren verfasst habe, plane ich
ein Buch über „Philosophische Abenteurer“. Ein Kapitel werde ich dabei
selbstredend Cioran widmen.
25. Was möchten Sie
den Ihnen bekannten, vor allen aber den unbekannten Leserinnen und Lesern dieser
Zeitschrift zum Schluss sagen?
25. Zunächst möchte ich mich ganz herzlich für die Möglichkeit dieses Gesprächs
bedanken. Den rumänischen Leserinnen und Lesern wünsche ich viel Kraft und
Zuversicht für ihren eigenen Lebensweg, aber auch für die Gestaltung eines
reichen kulturellen Lebens.
(Quelle: Interviu cu Richard Reschika, in: Andrei Zanca,
După ani, după noi, Criterion
Publishing, Norcross, GA, USA 2003, S. 97-103. ISBN 1-887304-84-3)
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„The Promise of Ecstasy“ – Philosopher Richard Reschika, June 27, 2016, Brown coins, Online magazin based in Berlin for art, film, and magic. www.browncoins.de